17. Juni 1953:

Volksaufstand in der ehemaligen DDR


17. Juni: Arbeiter saß vier Monateim Stasi-Knast "Lindenhotel"

Die Geschichte des Angeklagten P.


von Beate Gernhuber

 

Berliner Morgenpost vom 18.06.1992  


  

Potsdam - Gestern vor 29 Jahren forderte der Bauarbeiter Karl-Heinz Pahling als Streikführer in Niemegk bei Potsdam die Absetzung der DDR-Regierung und freie Wahlen. Der Protest gegen den stalinistischen Terror in der DDR kostete ihn 1953 zehn Jahre Zuchthaus. Vier Monate verbüßte er davon im Stasi-Gefängnis in der heutigen Lindenstraße - an dem Ort, an dem das Potsdam-Museum gestern seine neueste Publikation "Staats-Sicherheit. Ein Haus in Potsdam" vorstellte.

 

Museums-Mitarbeiter Thomas Wernicke, der sich seit der Wende für die Erhaltung des "Lindenhotels" als politische Gedenkstätte einsetzt, hat einer Chronik über die Geschichte des Hauses vier Gedächtnisprotokolle von ehemaligen Häftlingen hinzugefügt. 

 

Erstmalig sind in der Broschüre, deren erste Auflage 7.000 Stück beträgt, Fakten aus Potsdamer und Berliner Archiven veröffentlicht, die zu DDR-Zeiten schwer oder gar nicht zugänglich waren. So gibt die Broschüre, die für sieben Mark an der Museumskasse erhältlich ist, über die Struktur des "Ausschusses zum Schutze des Volkseigentums" in Potsdam Auskunft. Der Ausschuß wurde 1950 dem Ministerium des Innern mit seinem Generalinspekteur Erich Mielke unterstellt.

 

Monika Deicke sitzt der Schock durch den Potsdamer Stasi-Knast heute noch in den Knochen. "Ich habe mich am Eingang abholen lassen, weil ich nicht alleine durch den Zellengang gehen konnte" erzählt sie von ihrem Weg zur gestrigen Buchvorstellung Die zwei Jahre dauernde Haft, zu der sie 1968 wegen angeblicher "aktiver Beilhilfe an einer Menschenverschleppung" verurteilt wurde, verbrachte sie als "Nummer 66" in Zelle 66. Das Gebäude in der Lindenstraße war ihr vom Flanieren auf der Brandenburger Straße bekannt, aber sie ahnte nicht, was sich hinter den Mauern abspielte.

 

Während der Nachtruhe ab 21 Uhr wurde laufend das Licht angeschaltet, um zu kontrollieren, daß die Gefangenen ordnungsgemäß auf ihren schmalen harten Pritschen lagen. Dieser Psychoterror "bescherte" ihr Kreislaufbeschwerden und Schlafstörungen, unter denen sie noch heute leidet.

 

Karl-Heinz Pahling wußte bis 1989 nicht, daß das "Lindenhotel" ihn 1953 "beherbergte". "Ich wurde mit verbundenen Augen abgeliefert." Erst aus der Kopfzeile der Anklageschrift, auf der "Bezirksgericht Potsdam" stand, konnte er sich seinen Aufenthaltsort vage zusammenreimen. Die Auflösung kam erst  bei einem Potsdam-Besuch im Jahre 1989. "Ein Freund meinte zu mir: Hier könnte es gewesen sein."