17. Juni 1953: Volksaufstand in der ehemaligen DDR



Erinnerungen


Der 17. Juni gerät in Vergessenheit

Die Geschichte des Angeklagten P.


Volksstimme Magdeburg vom 18.06.1994 (jpi)

 



Bild-Quelle: privat

 


Oebisfelde (jpi) - Gestern war der 17. Juni. Bis 1990 wurde dieser Tag in den alten Bundesländern als "Tag der Deutschen Einheit" gefeiert, ehe er vom 3. Oktober abgelöst wurde. "Der 17. Juni ist ein sehr nachdenklicher Tag, der aber langsam in Vergessenheit gerät" meinte Horst Adolf, Vorsitzender der Oebisfelder Ortsgruppe des Bundes der Vertriebenen, in der gestrigen Mitgliederversammlung. 

Deshalb hatte der Vorsitzende Karl-Heinz Pahling eingeladen. Pahling war am 17. Juni 1953 aktiv an den damaligen Ereignissen beteiligt und war dafür sieben Jahre und sechs Monate im Zuchthaus Brandenburg eingesperrt.

Der Uchtspringer arbeitete zur damaligen Zeit als Gleisbauarbeiter bei der Reichsbahn-Bauunion in Niemegk nahe Potsdam. "Über die Ereignisse in Berlin informierten wir uns über Radio und erklärten uns am 17. Juni spontan mit den Berliner Bauarbeitern solidarisch" erinnerte sich Pahling. Der junge Mann, damals 26 Jahre alt, wurde zum Streikführer seines Betriebes gewählt.

Die Streikenden stellten einen Forderungskatalog auf. Der Wegfall der Zonengrenzen, der Abtritt der Regierung Ulbricht und die Freilassung aller politischer Häftlinge waren einige Punkte aus dem Katalog.

"Die Bevölkerung stand hinter uns, Wir merkten dies bei Kundgebungen in Niemegk und auch in der Kreisstadt Belzig. Denn viele Leute waren gekommen" erzählte Pahling. Stolz ist der ehemalige Streikführer vor allem darauf, daß die Demonstration friedlich verlief. "Bei uns wurde niemand geschlagen und nicht randaliert."

Der Bauarbeiter geriet jedoch als sogenannter Rädelsführer schnell in das Visier der Russen, die den Arbeiteraufstand niederwalzten. Kurze Zeit nach dem Aufstand wurde Pahling verhaftet und fand sich im Potsdamer Stasi-Knast wieder. "Bis zur Aufhebung des Ausnahmezustands wurde ich ausschließlich von russischen Offizieren verhört."

Erst danach befaßten sich Stasi-Offiziere mit dem "Fall" Pahling. "Sie wollten von mir hören, daß wir auf Befehl von ausländischen Geheimdiensten gehandelt hätten und dafür Dollars bekommen haben." Pahling ließ sich jedoch nicht auf diesen Kuhhandel ein. Die Quittung folgte.

In einem Schauprozeß vor Offizieren und FDJlern wurde der Bauarbeiter zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Die schwerste Zeit für ihn begann. "Für die Wärter waren wir dort das Letzte, wurden schlimmer als Doppelmörder behandelt." Am 19. November 1960 schlug für den 34 Jahre alten Mann die Stunde der Freiheit. Er und andere Leidensgenossen kamen per Amnestie frei.